Wachstum, Visionen und Rekorde prägen das Jahr 1927: Erstmals überschreitet die Weltbevölkerung die Zwei-Milliarden-Grenze und technischer Fortschritt bringt den Menschen eine nie da gewesene Mobilität.
Auch im Kino spielen Aufbruch und Vision eine große Rolle: Am 10. Februar kommt Fritz Langs Monumentalwerk Metropolis in die Lichtspielhäuser. Der erste Science-Fiction-Film in Spielfilmlänge bricht damals sämtliche Rekorde in der Produktion. Doch bei Kritikern und Publikum floppt das dramatische Werk über Liebe, Rache und Revolte – ein Fiasko für die durch die enormen Produktionskosten finanziell angeschlagene Ufa-Filmproduktion. Erst in den folgenden Jahrzehnten wird Langs Zukunftsvision als eines der wichtigsten Werke der Filmgeschichte erkannt: Im Jahr 2001 nimmt die UNESCO Metropolis in die Liste des Weltdokumentenerbes auf. 1927 feiert auch der erste Tonfilm in Spielfilmlänge Premiere: „The Jazz Singer“ von Alan Crosland. Die Geschichte des armen jüdischen Sängers, der allen Widerständen zum Trotz ein gefeierter Broadwaystar wird, begeistert das Publikum. Filmgeschichtlich läutet das Werk mit Al Jolson in der Hauptrolle eine neue Ära ein: Der Tonfilm löst den Stummfilm ab.
Höher. Schneller. Weiter.
Voller Spannung spähen im Mai 1927 die Zuschauer in Paris in den Himmel: Sie erwarten Charles Lindbergh in seinem Propellerflugzeug „Spirit of St. Louis“. Der Amerikaner ist am Vortag in New York aufgebrochen, um als erster Pilot den Nordatlantik in einem Nonstop-Flug zu überqueren. Seine Navigationsgeräte auf dem abenteuerlichen Flug bestehen ausschließlich aus Kompass, Kartenmaterial und Armbanduhr. In 33,5 Stunden gelingt ihm sein abenteuerliches Vorhaben – und er geht als Held in die Geschichte der Luftfahrt ein.
Und noch eine wegweisende Premiere ereignet sich in diesem Jahr in New York: Das erste Funk-Ferngespräch zwischen der amerikanischen Großstadt und Frankfurt am Main. Der Versuch glückt und ein Jahr später startet der regelmäßige Fernsprechverkehr zwischen den beiden Metropolen.
Auf einer anderen Wellenlänge funkt 1927 erstmalig das Vorläuferunternehmen von Columbia Broadcasting Systems (CBS): Am 18. September beginnt das US-Unternehmen mit der Ausstrahlung der ersten Radioprogramme.
Einen Monat nach Lindberghs legendärer Atlantik-Überquerung schauen die Menschen in Nordeuropa aus einem anderen Grund gebannt in den Himmel: Sie beobachten, wie sich während der totalen Sonnenfinsternis langsam der Mond vor die Sonne schiebt.
Neue Möglichkeiten bewegen die Menschen
Motorisierte Fortbewegung und Massenmobilität nehmen Fahrt auf: Zwischen New York und New Jersey wird der damals längste Autotunnel der Welt eröffnet. Der 2.608 Meter lange Holland Tunnel unter dem Hudson River erleichtert bis heute den Alltag unzähliger Pendler. Auch hierzulande wird 1927 ein großes Bauprojekt eingeweiht. Nach vier Jahren Bauzeit startet am 1. Juni der regelmäßige Eisenbahnverkehr auf dem Hindenburgdamm zwischen Sylt und dem Festland.
Die Schweden freuen sich über mehr Mobilität, als im April der erste Serien-Volvo, der ÖV4 „Jakob“, vom Band rollt. Die Erstausgabe des „öppen vagn“ (offener Wagen) hat jedoch ein Manko: Das Cabrio ist auch mit montierten Seitenscheiben und aufgezogenem Stoffdach nicht wasserdicht. Das bremst anfänglich den Verkauf in dem regenreichen Land.
Während die Schweden am Auto arbeiten, gehen die Brasilianer in die Luft. 1927 gründet der deutsche Auswanderer Otto Ernst Meyer die brasilianische Fluggesellschaft Varig – und bringt die Menschen schnell und komfortabel auch an entlegene Ziele. Manche erreichen in Deutschland nun ihr Ziel, indem sie im Kreis fahren: Im Juni 1927 wird der Nürburgring mit dem ADAC-Eifelrennen eingeweiht. Das erste Automobilrennen auf der berühmten Rennstrecke gewinnt Rudolf „Karratsch“ Caracciola. Nach ihm wurde die legendäre Kurve auf dem Nürburgring, das Caracciola-Karussell, benannt.