Wir reisen zurück ins Jahr 1967: Das Wirtschaftswunder geht in die letzte Runde und Europa erlebt ein bewegtes Jahr voller technischer und sozialer Innovationen. Diese halten auch Einzug in die Privathaushalte: Aus dem „Schneewittchensarg“ von Braun schallen die Beatles mit „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, im Fernsehen zieht das farbige Bild ein. Es findet auch sofort eine pädagogisch wertvolle Anwendung mit dem Telekolleg im Bayerischen Rundfunk. Das Programm führt – auch heute noch – auf dem zweiten Bildungsweg zur Mittleren Reife oder zur Fachhochschulreife.
Auch im öffentlichen Raum greift der Fortschritt mit großen, aber umstrittenen Neuerungen um sich. Im bayerischen Gundremmingen geht das erste kommerzielle Kernkraftwerk in Betrieb. 107 Jahre lang lieferte die Zeche Shamrock in Herne Steinkohle für die Industrie. Nun wird sie stillgelegt. Die Koinzidenz ist ein Symbol des Übergangs vom Kohlezeitalter zur Ära der Kernkraft.
Auch die Finanzbranche kann mit technischen Innovationen punkten. Barclays nimmt in Enfield Town den ersten Geldautomaten Europas in Betrieb. In Kapstadt gelingt einem Arzt die erste Herztransplantation, was die Medizin zu immer neuen chirurgischen Fortschritten ermutigt.
Kulturell steht das Jahr 1967 unter dem Stern des „Age of Aquarius“: Hippies und Blumenkinder feiern ihren Sommer der Liebe. Walt Disney schenkt mit dem „Dschungelbuch“ dem jungen Teil der Menschheit einen liebenswerten Musical-Trickfilmklassiker. Die Rockband Creedence Clearwater Revival beginnt die Charts zu erobern. Die Beatles organisieren gemeinsam mit den Beach Boys das Monterey Pop Festival. Es gilt als offizieller Start der Hippie-Kultur, die mit dem „Woodstock Music & Art Fair – 3 Days of Peace & Music“ 1969 ihren Zenit bereits überschritten hatte. In Monterey zeigen junge Stars wie Jimi Hendrix, The Who und Canned Heat dem überwältigten Publikum, welche Musik mit elektrisch verstärkten Gitarren auch noch möglich ist. Curt Cobain, er kommt 1967 gerade zur Welt, wird neben vielen anderen mit seiner Band Nirvana die musikalische Linie des Rock noch Jahrzehnte später weiterentwickeln. Robert Moog führt in Monterey einige der ersten Synthesizer vor – und verkauft sie prächtig. Alle Musiker spielen genau 40 Minuten lang – wenn man von The Who absieht, die bereits nach 25 Minuten ihr Equipment in Stücke hauen.
Bemerkenswert ist: Sämtliche Künstler treten ohne Gage auf. Die Gewinne des Festivals kommen dem „United Negro College Fund“ zugute. Eine Besucherin meint in einem Film über Monterey, das Festival sei wie Weihnachten, Ostern, Silvester und Geburtstag zusammengenommen. So schön kann das Blumenkinder-Leben sein.
Doch die Flowerpower-Idylle täuscht nicht darüber hinweg, dass die Zeiten politisch sehr bewegt sind. Die Systemkonkurrenz des Kalten Krieges schürt weltweit militärische Auseinandersetzungen und bürgerkriegsähnliche Zustände. Einige Schlaglichter: Der Boxer Muhammad Ali verweigert wegen des Vietnamkriegs den Wehrdienst. Che Guevara wird in Bolivien hingerichtet. In der BRD wird Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen, als er gegen den Schah des Irans demonstriert. Der gewalttätigen Seite der Politik stehen friedlichere Errungenschaften gegenüber wie die Einführung der Fünf-Tage-Woche in der DDR. In Westdeutschland senkt die metall- und holzverarbeitende Wirtschaft die Arbeitszeit pro Woche auf 40 Stunden.